23. Juli bis 24. September 2020, München


Die blaue Stunde
Neue Bilder von Christine Zohner



Die Vergangenheit ist nirgendwohin gegangen.
Sie umgibt mich solange ich lebe.
Spiegelt die Zukunft Erinnerung?
Erst wenn ich male entsteht Gegenwart.

Wir waren drei Tage unterwegs, um zu Tashis Mutter zu gelangen.
“In einem Jeep wäre ich in zwei bis drei Stunden bei ihr. Aber es ist das zu-ihr-Gehen, das mir Kraft gibt ist, es ist eine Art dreitägige Meditation. Jeden Monat besuche ich sie einmal, immer gehe ich zu Fuss.”

Nirgendwo auf der Welt hatte ich so intensives Licht in solch einer Weite erlebt.
 Die Welt hier schien trotz Bergketten unbegrenzt zu sein, nicht nur auf einem anderen Erdteil gelegen, sondern in einer Galaxie weit jenseits von Alpha Centauri.



Lag es am Licht, an der Höhe, an der Luft?

Tibet liegt auf einer Hochebene, Tashi lebt in einem breit zum Himmel geöffneten Tal zweitausend Meter über dem weit entfernten Meer. Ich war erst ein paar Tage bei ihr, es kam mir vor, als seien wir Freundinnen während eines ganzen langen Lebens und darüberhinaus.

Die Menschen hier, die Tiere, die Pflanzen, wenngleich sie auch gewisse äusserliche Ähnlichkeiten mit mir bekannten Kreaturen haben mögen, schienen anderen Bedingungen zu unterliegen, anderen Naturgesetzen zu gehorchen, gänzlich neue Zusammenhänge untereinander herzustellen.

Wir hatten kaum gesprochen unterwegs. Obwohl ich mit Tashi ging, war es mir, als sei ich über lange Strecken mit mir allein. Allein mit meiner Vergangenheit, mit meiner Welt, mit einem Leben, das mir jetzt so fern erschien, oder besser: es wurde mir mit jedem Schritt durch diese fremden Täler klarer, aus diffusen Dämpfen schien eine Art Kondensation einzutreten, die mir ermöglichte, Strukturen, Muster und Hintergründe auf neue Art zu lesen.
 Ich sah den Krieg, sah all’ die Zufälle, die eingetreten waren, um die Gegenwart zu erschaffen, sah geliebte Menschen sterben, sah meine Kinder, ihre Kinder, sah den Kampf, den ständigen Kampf ums Überleben zuerst, dann ums Dasein, dann um das Geschaffene, und mit jedem Schritt, den ich jetzt in dieser entrückten Welt tat, merkte ich, die Zeit war gekommen, aufzuhören zu kämpfen.



Nicht aufzugeben, sondern loszulassen den in Krieg und Angst und Trauer und Einsamkeit entstandenen Reflex, Not durch Kampf zu wenden, durch ständige Anwendung von Kraft an einer Oberfläche mich zu halten. Eine neue Art und Weise zu suchen und zu finden, die Welt und die Menschen anzusehen, und so das Dasein der Welt und vor allem mein eigenes Dasein zu wandeln, diesen winzigen mir verbleibenden Augenblick, dessen Eigenschaft einzig in der Richtung und in der Qualität meines Blickes liegt.


Die Sonne war schon hinter dem Horizont verschwunden, als wir aus dem struppigen Wald hinaustraten. Tashi zeigte mir das kleine Haus am Fusse unseres Hanges, vor dem, winzige vielfarbige Gestalt, ihre Mutter uns erwartete.




Die blaue Stunde
Neue Bilder von Christine Zohner
ist ein 2020 entstandener Zyklus.
Reisen, Momente, Orte, Erinnerungen, Assoziationen, Fragen, Gedanken.
Ein Strich, die Sonne vier Grad unterhalb des Horizontes, trocknende Farben.


Stadtbereichszentrum Ost, Ausstellungsbereich
Severinstraße 6, D - 81541 München

Ausstellungseröffnung:
23. Juli, 19.00 Uhr (K123110) und 20.00 Uhr (K123111) in zwei Gruppen.

Anmeldung erforderlich.
Begrüßung: Winfried Eckardt, Leitung Stadtbereich Ost der MVHS
Musikalische Umrahmung: Susanne Schoepp

Ausstellungsdauer, Öffnungszeiten
:
23. Juli bis 24. September 2020 · mo bis do 9.00 bis 21.00 Uhr · fr bis 17.00 Uhr
Ausstellungsbesuch nur mit Mund-Nasen-Bedeckung

Veranstaltungsort:
MVHS Stadtbereichszentrum Ost, Severinstr. 6
MVV: U2/U7 Untersbergstraße, Bus 54 Werinherstraße, Tram 18 St.-Martins-Platz

Finissage:
24. September, 19.00 Uhr (K123113), nur mit Anmeldung

Information und Anmeldung:
Telefon (089) 48006-6750 oder online www.mvhs.de/ausstellungen

Gemeinschaftsausstellung von Gerdi Winkler und Christine Zohner






Christine Zohner | christine.zohner.com | christine@zohner.com